City Advent
»Maria durch ein Dornwald ging«
Jedes Jahr in der Adventszeit zieht es mich in die Überwasserkirche in meiner Heimatstadt Münster. Mit dem City Advent entsteht dort ein besonderer Ausstellungsraum – einer, der Kunst, Spiritualität und Zeitgeschehen miteinander verwebt. In den vergangenen Jahren war ich oft beschwingt, manchmal sogar fast heiter, aus der Kirche herausgegangen. Ich erinnere mich an den Mond, an leuchtende Prismen, an Installationen, die Leichtigkeit und Staunen erzeugten.
In diesem Jahr ist das anders. Die Ausstellung trägt den Titel »Maria durch ein Dornwald ging« – ein vertrautes adventliches Bild, das bereits im Titel Schmerz, Widerstand und Verletzlichkeit anklingen lässt. Als ich im Vorfeld die Beschreibung der Ausstellung und einiger Exponate gelesen habe, war ich ehrlich gesagt skeptisch. Klimawandel, Müll, Folter, häusliche Gewalt, Einsamkeit, Krieg, Zerstörung, Verletzungen – das klingt schwer. Sehr schwer. Nicht nach dem, was man klassisch mit Advent verbindet.
Und doch bin ich hingegangen. Die Ausstellung empfängt einen nicht mit Glanz, sondern mit Reibung. Die Werke sind vielstimmig, teilweise verstörend, oft unbequem. Sie fordern dazu auf, hinzusehen – auch dort, wo man im Alltag lieber wegschaut. Maria, die durch den Dornwald geht, wird hier weniger zur sanften Heiligenfigur als vielmehr zu einer Projektionsfläche für menschliche Erfahrungen von Schmerz, Angst und Durchhalten. Ich habe die Kirche sehr nachdenklich verlassen. Nicht beschwingt. Nicht leicht. Aber innerlich bewegt.
Der diesjährige City Advent in Münster bietet keine schnellen Antworten und keine Wohlfühlästhetik. Stattdessen öffnet er Räume für Fragen:
Was muten wir uns zu?
Was tragen wir mit uns herum?
Welche Dornen gehören gerade zu unserer Zeit?
Vielleicht ist es genau das, was Advent heute sein kann – nicht nur Erwartung von Licht, sondern auch das Aushalten von Dunkelheit. Die Themen der Ausstellung passen schmerzhaft gut in unsere aktuelle Zeit. Sie spiegeln kollektive Verletzungen ebenso wie individuelle Einsamkeit. Diese Ausstellung ist kein leichter Gang. Aber vielleicht ein notwendiger. Ein Gang durch den Dornwald – mitten in der Stadt, mitten im Advent, mitten in unserer Gegenwart.
Bis zum 21.12.2025 kann die Ausstellung in der Liebfrauen-Überwasserkirche täglich von 11-19 Uhr, samstags bis 21 Uhr, besucht werden. Der Eintritt ist frei.
12.12.2025


